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Reading Film Stills
Analyzing Film and Media Culture
Film / Medien / Wissenschaft 2
Winfried Pauleit
Englisch
250 Seiten, 45 Filmausschnitte, 71 Fotos
CD-ROM (PDF mit integrierten Filmausschnitten)
ISBN 978-3-86505-204-9
Erschienen im Mai 2015
€ 25,- [D]
Filmstandbilder sind Gebrauchsfotografien der Filmindustrie oder Werbeträger. Manche erreichen den Status von Ikonen oder Fetischobjekten. Die Mehrzahl ist Massenware, die ein Schattendasein führt neben der eigentlichen Attraktion, dem Film. Und dennoch: die Kinos zeigen Film Stills in ihren Schaukästen – Film im Anschnitt – wie die Wurst beim Fleischer.
Filmstandbilder locken aber nicht nur einfach von der Straße ins Kino. Sie begleiten vielmehr die Filmaufführung: Sie bereiten sie vor und trauern ihr nach. Es sind die letzten Stills vor dem Film, auf die man als Zuschauer noch einen prüfenden Blick werfen kann. Man betrachtet die Bilder und vergewissert sich seiner selbst, bevor man einen Teil dieser Selbstverfassung im Kino vorübergehend aufgibt. Nach dem Film sind sie dann wieder zur Stelle und zeigen sich in einem anderen Licht: Es sind jetzt Erinnerungsbilder, die ein Wind aus Melancholie umweht, vergleichbar mit den Fotos vom letzten Urlaub.
Die Faszination von Filmstandbildern besteht darin, ihre Betrachter »unmittelbar« zur imaginativen Vervollständigung einzuladen. Stills liefern die Ermächtigung, um einen Film nachträglich zu bearbeiten und zu verändern. Sie sind das Einfallstor der Zuschauer. Das erkannte bereits François Truffaut, der in seinem legendären Film LES 400 COUPS nicht nur den Diebstahl eines Film Stills inszenierte, sondern den Film auch mit einem Standbild enden ließ.
Das E-Book auf CD-ROM (mit Filmausschnitten) untersucht das Phänomen Filmstandbilder im Kontext von Film, bildender Kunst, Theorieproduktion und Medienkultur. Es beleuchtet, wie bereits der frühe Stummfilm mit Asta Nielsen das Still zum Thema machte und wie es neben dem klassischen Gebrauch der Werbung durch die Filmindustrie immer wieder selbst zum Gegenstand von Filmen wurde: bei Preston Sturges, Otto Preminger, François Truffaut oder Chris Marker. Ab 1960 interessieren sich dann vor allem bildende KünstlerInnen für Film Stills, wie z.B. Richard Hamilton, John Baldessari oder Cindy Sherman, denen einzelne Kapitel gewidmet sind.
Die Strategie in der bildenden Kunst ist die Aneignung der Stills und die Dekonstruktion des Films. Film- und Fototheorie haben diese Strategien der Aneignung vorbereitet und begleitet. Überlegungen von Siegfried Kracauer finden sich bereits in den 1920er Jahren. In den 1970er Jahren wird das Still erneut Thema insbesondere bei Roland Barthes, aber auch bei Laura Mulvey und Peter Wollen. Das E-Book setzt sich mit diesen Theoriepositionen auseinander und entwickelt im Blick auf Filmstandbilder neue Analysemethoden für die Film- und Medienwissenschaft.
Schließlich taucht das Film Still in veränderter Form in der aktuellen Medienkultur wieder auf. Seit den 1990er Jahren sind es Stills von Überwachungskameras, die zu Ikonen werden: von der Entführung James Bulgers (1993), von Lady Di im Hotel Ritz (1997) oder vom Attentäter Mohammed Atta am Flughafen (2001). Das abschließende Kapitel des E-Books beschäftigt sich mit diesen Stills und beschreibt sie als Symptome der Medialisierung unserer Lebenswelt.
Contents:
Film stills are photographs that are used in the making of films or in advertising. Some achieve the status of icons or fetish objects. The majority is mass-produced, leading a shadow existence alongside the real attraction, film. Film stills today are primarily used in film journalism. At the same time, cinemas once showed film stills in display cases, and still do so in Europe today – film cuts, like slices of sausage displayed at the butcher.
The fascination with film stills consists in inviting the beholder »directly« to complete them in their imaginations. Stills make it possible to work on a film or change it after the fact. They are a gateway for the spectator. This was already recognized by Francois Truffaut, who in his legendary film les 400 Coups not only staged the theft of a film still, but also had the film end with a freeze-frame.
This E-book on CD-ROM featuring film clips explores the phenomenon of film stills in the context of filmmaking, the fine arts, theory, and media culture. It sheds light on use of the still in film already in the context of silent film, for example in the case of Asta Nielsen, and explores how the film still was not only used as a means of advertising, but repeatedly became part of the plot, as can be seen in films by Preston Sturges, Otto Preminger, François Truffaut, or Chris Marker. After 1960, fine artists became interested in the use of the film still, as can be seen in the work of artists such as Richard Hamilton, John Baldessari, or Cindy Sherman, to whom individual chapters here are dedicated.
The strategy used in the fine arts is the appropriation of film stills and the deconstruction of film. The theory of film and photography prepared the way for these strategies and accompanied them: Siegfried Kracauer’s thoughts on the film still date already from the 1920s. In the 1970s, the still again became an issue, in particular in the writings of Roland Barthes, but also in the work of Laura Mulvey and Peter Wollen. This E-book engages with these theoretical positions and develops new methods of analysis for film and media studies in its examination of the film still.
Finally, the film still surfaces in an altered form in media culture. Since the 1990s, stills taken by surveillance cameras have become icons: images of the kidnapping of James Bulger (1993), Lady Di at the Hotel Ritz (1997), or the terrorist Mohammed Atta at the airport (2001). The concluding chapter of this E-book deals with these stills and describes them as symptoms how the media saturate our lifeworld.
Leseproben
- Contents (PDF 40.8 kiB)
- Introduction (PDF 72.3 kiB)
Autor*innen
Winfried Pauleit ist Professor an der Universität Bremen mit den Arbeitsschwerpunkten Film- und Medienwissenschaft sowie Leiter des ZeMKI Forschungslabs Film, Media Art, and Popular Culture. Seit 2006 ist er zudem wissenschaftlicher Leiter des Internationalen Bremer Symposiums zum Film. Außerdem ist er Gründer und Co-Herausgeber der Internetzeitschrift nachdemfilm.de sowie Herausgeber der der »Bremer Schriften zur Filmvermittlung«. Letzte Publikationen: »Kino und Kindheit. Figur – Perspektive – Regie« (Hg. mit Bettina Henzler, 2017). »Reality Unbound. New Departures in Science... [mehr]